Händler und Importeure von Medizinprodukten aufgepasst – EU-MDR regelt Umverpacken und Übersetzen neu

Das Ändern der Verpackung von Medizinprodukten war und ist etwa für Homecare-Provider unumgänglich. Medizinprodukte müssen mangels anderer Verfügbarkeit aus großen Gebinden vereinzelt werden, um sie entsprechend des Monatsbedarfs, und im Rahmen monatlicher Pauschalvergütungen durch Krankenkassen, an Patienten zu versenden. Ebenfalls kann es für Händler notwendig sein, Gebrauchsanweisungen für ihre Kunden zu übersetzen.
Regulatorisch waren diese Aktivitäten bisher bestenfalls als „Graubereich“ unreguliert. Denn auch wenn es sich um nicht-steriles Verbrauchsmaterial handelt und adäquate Verpackungsprozesse implementiert sind, also kein erhöhtes Risiko besteht – es ist ein Eingriff in das Medizinprodukt. Das ändert sich im Mai 2021! Ein produktspezifisches Zertifikat wird erforderlich.

Die EU MDR 2017/745 (EU) sieht in Artikel 16 explizit vor, dass solche Tätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen keine „unzulässige“ Veränderung am Medizinprodukt mehr sind und ein Händler oder Importeur damit nicht mehr unverhoffter Weise in Herstellerverantwortung kommt. Dafür ist es insbesondere erforderlich, dass für das Umpacken des Produkts oder Übersetzen von Gebrauchsanweisung oder Kennzeichnung ein adäquates Qualitätsmanagementsystem implementiert wird und dass „Der Hersteller oder Importeur […] der zuständigen Behörde […] eine Bescheinigung [vorlegt], ausgestellt von einer Benannten Stelle und bestimmt für die Art der Produkte, auf die sich die […] Tätigkeiten erstrecken, in der bescheinigt wird, dass das Qualitätsmanagementsystem […] festgelegten Anforderungen entspricht.“ [MDR Art. 16 (4)]. 

Was bedeutet das konkret? 

Für solche Tätigkeiten bedarf es eines produktspezifischen „Artikel 16 (4) – Zertifikates“ einer Benannten Stelle, welches der zuständigen Behörde vorzulegen ist – und zwar vor Aufnahme der Tätigkeit! 

Jedoch ist es aktuell nicht möglich, ein solches Zertifikat zu erhalten. Denn hier ist die EU-Kommission in signifikantem Verzug, den Benannten Stellen angemessene Vorgaben an die Hand zu geben. Und dieser bedarf es dringend! 

So ist etwa noch nicht definiert, welcher Standard für eine mögliche Prüfung/Auditierung zugrunde gelegt wird. Es wird vermutet, dass die ISO 13485:2016 hier eine Rolle spielen wird – in welchem Umfang jedoch ist unklar. Unter welchen Umständen darf umverpackt oder übersetzt werden? Wie produktspezifisch sind die Zertifikate auszustellen? Was bedeutet „… für die Art der Produkte“? Wie ist mit Änderungen zu verfahren, wenn etwa ein Händler ein neues oder geändertes Produkt ins Portfolio aufnimmt? Muss in regelmäßigen Abständen re-auditiert werden? All dies sind Fragen, zu denen sich eine zwischenzeitlich auf Ebene der EU-Kommission gegründete Arbeitsgruppe zum Thema „Artikel 16“ äußern und Festlegungen treffen muss.

„In Anbetracht der Tatsache, dass es eines der großen Ziele der EU MDR ist, eine stärkere Überwachung der Lieferkette von Medizinprodukten zu erreichen und folglich damit gerechnet werden kann, dass Wirtschaftsakteure auch häufiger überprüft werden, ist es kaum nachvollziehbar, dass diese Thematik noch derart wenig vorangetrieben ist. Händler und Importeure sind nun zurecht in der EU-Gesetzgebung berücksichtigt, da sie eine wichtige Rolle bei der Verfügbarmachung von sicheren und leistungsfähigen Medizinprodukten spielen. Doch der sinnvoll angedachte Spielraum muss nun auch nutzbar gemacht werden. Ansonsten steht die sichere Marktversorgung auf dem Spiel.“

Es bleibt zunächst zu hoffen, dass zuständige Marktüberwachungsbehörden unter diesen Umständen nicht rein formal, sondern mit Augenmaß und risikobasiert vorgehen und Benannte Stellen gegenüber der EU-Kommission die Klärung des Themas wirksam einfordern.  

Was ist bis zur finalen Regelung der EU-MDR zu tun?

Händler und Importeure, die sich mit dem Thema konfrontiert sehen, sollten ihr Portfolio und die zutreffenden Prozesse risikobasiert bewerten und, falls nötig, anpassen. Sind Tätigkeiten wie Umpacken oder Übersetzen unumgänglich, müssen sich die Unternehmen intensiv mit den Anforderungen des Artikel 16 der EU MDR auseinandersetzen und: das QM-System muss überprüft, angepasst oder sogar erstmals aufgesetzt und implementiert werden. 

Konformität mit den Anforderungen muss hergestellt und nachgewiesen werden. Da diese bislang nur auf sehr übergeordnetem Level definiert sind, braucht es eine wohldurchdachte Vorgehensweise.

Und auch, um das in jedem Fall erforderliche Zertifikat – sobald geregelt – schnellst möglich zu bekommen. Denn der immanente Fokus der EU MDR auf Markt und Bereitstellung von Medizinprodukten führt absehbar auch zu mehr Prüfung und Kontrolle der Händler und Importeure. Proaktive Vorbereitung ist gefragt.

 

Einen umfangreichen und vollständigen Überblick über die geänderten Anforderungen der EU MDR liefert das White Paper Die Rolle von Händler und Importeur im Kontext von EU MDR und MPDG

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